Mit 181 Drehbüchern zur Serie
ist Volker Vogeler (27.06.1930-16.04.2005) derjenige Autor, der die Serie
am meisten geprägt hat. Der Regisseur und Drehbuchautor wollte eigentlich
1978 einen "Tatort" verfassen, sein Drehbuch wurde aber nicht angenommen.
Deshalb "landete" er bei Produzent Helmut Ringelmann und konnte mit der Episode "Der Spieler"
(#21, Erstsendung: 24.11.1978) seinen Einstand in der Serie geben. Vogeler,
der seine Bücher häufig auch in seinem spanischen Ferienhaus verfasste, war
vom Schreiben besessen. In einem Interview sagte er einmal: "Ich schreibe bis
ich umfalle!". Kriminalistische Fachbücher halfen ihm beim Abfassen der
Geschichten, um immer im Rahmen des Realen zu bleiben.
Im April 2005 starb der Autor plötzlich. Dass Vogeler so
viele Folgen für die Reihe verfasst hat, sehen viele Fans nicht gerade als
optimal an, da er leider viele Geschichten variierte und wiederholte.
Sicherlich gab es auch ein paar sehr starke Folgen aus seiner Feder, in der
Regel wiederholten sich in seinen Büchern aber jedoch die Familiendramen und
-tragödien.
Seine Storylines lassen sich im Prinzip auf zwei Grundszenarien reduzieren:
1.) Ein Mann und eine Frau, beide verheiratet, aber nicht miteinander,
begehen Ehebruch (meist in einem noblen Hotel) und einer der beiden wird
ermordet. Als Verdächtige gelten die betrogene Ehefrau oder der betrogene
Ehemann bzw. andere Familienmitglieder. Ein übliches "Familiendrama".
2.) Ein Straftäter wird aus der Haft entlassen und in einen neuen Mordfall
verwickelt oder getötet. Meist handelt es sich dabei um Räuber oder
Raubmörder, die ihre Beute noch immer in Sicherheit wiegen. Die Folge
beginnt meist damit, dass einer der Mitarbeiter der Mordkommission II ins
Büro kommt und sagt: "Wisst ihr, wer heute entlassen wird?"
Es ist zwar unglaublich, aber diese beiden Grundgeschichten wiederholen sich
in rund 80% der Vogeler-Drehbücher. Déjà-Vu-Erlebnisse sind daher nichts
Ungewöhnliches. Auch
Sätze wie
"Wir müssen das nicht glauben" seitens der Ermittler, "Ich bin zur Tatzeit
ziellos in der Stadt herumgefahren" als Alibi der Verdächtigen oder "Wollen
Sie mir nicht Ihr Beileid aussprechen?" seitens der Angehörigen wiederholen
sich in fast jeder Folge. Auch "Ich baue Ihnen jetzt eine Brücke" von
Hauptkommissar Kress zu einem Verdächtigen oder "Was ist, habt ihr keine
Arbeit?" zu seinen Kollegen fallen häufiger. Vogeler thematisiert außerdem
häufig die Hautfarbe von Henry Johnson. In den meisten Folgen Vogelers
werden die Beamten der MK II auch vom Bereitschaftsdienst weggeholt. Der
Polizeiarzt wird in jeder Folge auf ein Minimum reduziert. "Er war sofort
tot" oder "Ich habe der Ehefrau eine Beruhigungsspritze gegeben" sind oft
die einzigen Worte, die man von ihm hört. Kress und er feilschen immer um
den Termin des Obduktionsberichtes.
Die Titel der Folgen sind oft sehr konkret, manchmal aber nicht besonders
kreativ. Häufig haben diese nämlich überhaupt keinen Bezug zur Handlung
("Der Tod ist nur ein Augenblick", "Die Farbe des Todes", "Mord ist Mord",
"... tot ist tot", "Der Tod hat kein Lied", "Das Leben ist ein tödliches
Spiel") oder könnten auf jede Folge passen ("Ein tödliches Ereignis",
"Plötzlich und unerwartet", "Kein gutes Ende", "Ein tödliches Drama"). Die
Wörter "Tod" und "Mord" (inklusive ihrer Ableitungen) kommen insgesamt 48
bzw. 19 Mal in den Titeln vor.
Anlässlich der 200. "Der Alte"-Folge erschien
in der Pressemappe des ZDF (1999) auf den Seiten 13-15 folgendes Interview
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung der zuständigen ZDF-Redaktion):
- Wie hat sich bei Ihnen der Kontakt zur Serie "Der Alte" angebahnt.
Haben Sie einfach auf gut Glück beim ZDF oder beim Produzenten Helmut
Ringelmann eine Drehbuchvorlage eingereicht?
Volker Vogeler: Letzteres, beim Produzenten. Nachdem mir die Bavaria,
für die ich damals gearbeitet habe, immer eingeredet hat, ich wäre Künstler
und hätte damit nichts am Hut. Eigentlich bin ich zu Ringelmann gegangen,
weil man mich keinen "Tatort" machen lassen wollte.
- Wie sehr sehen Sie sich denn als Künstler bei Ihrer Arbeit heute?
Volker Vogeler: Wenig! Oder besser: weniger. Mehr als Hand-(Kopf-)Werker
mit einer schwarzen Seele und einem Talent zum Geschichtenerzählen.
- Inzwischen haben Sie den Ruf eines arrivierten "Alte"-Autors erworben.
Auf wie viele Folge können Sie mittlerweile zurückblicken?
Volker Vogeler: So etwa einhundert sind es geworden. In 17 Jahren. Und
es macht mehr und mehr Spaß, weil die vier Ermittler Leo Kress, Gerd
Heymann, Henry Johnson und Werner Riedmann inzwischen zu meiner Familie
gehören. Bildlich gesprochen.
- Reizt es Sie nicht, die von Ihnen geschriebenen Krimis auch selbst zu
inszenieren?
Volker Vogeler: Nein! Die guten Geschichten anderer schon. Schreiben und
Regie in einer Person an einem Stoff hat zu wenig Reibungsfläche in der
Umsetzung. Ansonsten schreibe ich schon wie ein Autor, der auch Regie führt.
- Sie haben jetzt die Jubiläumsfolge geschrieben. Hat sie irgend etwas
Bestimmtes zu dieser Story inspiriert?
Volker Vogeler: Ja! Wehe, die lesen das - eine Apothekerfamilie. Wir
sind mit ihnen befreundet. Es geht um Gift und Apotheke.
- Wie finden Sie normalerweise ihre Krimithemen?
Volker Vogeler: Was für eine Frage! Fast fünftausend Mord- und
Totschlagversuche, alleine in unserem Land, jedes Jahr.
- Glauben Sie, dass man über das Genre Mord eine Botschaft dem Zuschauer
vermitteln kann, die auf Liebe gerichtet ist?
Volker Vogeler: Wenn ich solche Geschichten schreibe, dann schreibe ich
auch über den Verlust einer Utopie: wie Menschen miteinander umgehen. Oder
einfach über die Vertreibung aus dem Paradies, das wir nie gefunden haben.
- Schielen Sie auch einmal zur Konkurrenz, und gibt es für Sie Vorbilder?
Volker Vogeler: Klar, am liebsten sehe ich den "Alten" als eine Art
deutschen Bruder des "Maigret" von Georges Simenon. So funktioniert es,
glaube ich, auch im Ausland.