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Die Affäre
Lerouge (teil 1-2) |
Erstsendung (ARD):
Sonntag,
29.08.1976, 20.15-21.45 Uhr (Teil 1)
Dienstag, 31.08.1976, 21.00-21.45 Uhr (Teil 2) |
Regie:
Wilhelm Semmelroth |
Dauer:
90 Minuten je
Teil |
Allgemeines |
"L'affaire Lerouge" ("Die Affäre Lerouge") war Émile Gaboriaus (1835-1873)
erster Kriminalroman, den er 1863 schrieb. Der Roman erschien als
Fortsetzungskrimi sukzessive in der Zeitung Le Pays. Er basiert auf einem
wirklichen Mord, der Nahe der Pariser Place d'Italie geschah und den Gaboriau
für die Zeitung als Journalist recherchiert hatte. In Wirklichkeit war der Mord
an der Witwe Lerouge allerdings nie aufgeklärt worden. Die Fakten lieferte
Gaboriau übrigens ein befreundeter Polizeiinspektor. Gaboriau selbst war
jahrelang Assistent von Paul Féval, für den er teilweise ganze Kapitel oder auch
Romane schrieb, etwas, das zu jenen Zeiten nichts Ungewöhnliches war. Gaboriau
selbst berief sich auf Edgar Allen Poes Mord in der Rue Morgue und wurde durch
seine geschickte Art, angstvolle Spannung zu erzeugen, zum Vorbild für Arthur
Conan Doyle, dem Schöpfer Sherlock Holmes', der sich oft auf Gaboriau berief.
(Text: © Die Krimihomepage,
GP) |
Inhalt |
Allgemeiner Inhalt
In "Die Affäre Lerouge", nahe Paris im Jahre 1860 angesiedelt, dreht sich
alles um den Mord an der Witwe Lerouge (Ingeborg Lapsien), die in ihrem Haus
erstochen aufgefunden wird. Die Polizei zieht in ihren Ermittlungen schnell den
pensionierten Kriminalbeamten und Amateurdetektiv Tabaret (René Deltgen) zu
Rate. Es stellt sich heraus, dass Madame Lerouge vor etlichen Jahren als Amme
beim Grafen Commarin (Peter Pasetti) tätig war. Damals hat sie den rechtmäßigen
Erben gegen einen gleichaltrigen außerehelichen Sohn des Adligen vertauscht.
Damit ist eigentlich der Anwalt Noёl Jardy (Joachim Ansorge) der Erbe des
Vermögens und nicht dessen Halbbruder Albert von Commarin (Volkert Kraeft),
gegen den Untersuchungsrichter Daburon (Günter Strack) bald Haftbefehl erlässt,
da er seiner Meinung nach der einzige Nutznießer des Mordes an der Witwe Lerouge
ist...
Erster Teil (Sonntag,
29.08.1976, 20.15 Uhr-21.45 Uhr)
Mit zwei Messerstichen zwischen die Schultern wird die Witwe Lerouge in
ihrem Wohnzimmer ermordet aufgefunden. Père Tabaret (René Deltgen), eigentlich
pensionierter Polizeibeamter, hilft bei den Ermittlungen. Der zuständige
Untersuchungsrichter Daburon (Günter Strack) hält einstweilen um die Hand Claire
d'Arlanges (Herlinde Latzko) bei deren Tante, der Marquise d'Arlange (Käte
Haack) an. Claire gesteht Daburon, dass sie den Sohn des Grafen von Commarin,
Albert (Volkert Kraeft) liebt. Doch die Liebe scheint unerfüllt bleiben zu
müssen, da das Haus Commarin mit dem Haus d'Arlange seit Jahren verfeindet ist.
Die Affäre Lerouge wird für Daburon zum Prüfstein, denn die Spuren im Mordfall
führen alle in das Haus des Grafen von Commarin. Dort arbeitete die Witwe
Lerouge als Amme vor 30 Jahren. Damals gebaren sowohl die Frau des Grafen als
auch dessen Geliebte Gerdy ein Kind. Da der Graf (Peter Pasetti) die Geliebte
mehr liebte als seine Frau, beauftragte er Madame Lerouge, die Kinder zu
vertauschen, so dass das unehelich geborene Kind als Erbe im Hause Commarin
aufwachsen könne. Damit ist Albert von Commarin (Volkert Kraeft) nicht der echte
Erbe, sondern sein Halbbruder Noёl Gerdy (Joachim Ansorge), um den sich Père
Tabaret seit seiner Kindheit kümmert. Nur die Witwe Lerouge konnte die
Kindesvertauschung bezeugen. In den Augen von Daburon ist dies auch das
Mordmotiv. Und nur einer hatte einen Grund, die Wahrheit nicht ans Licht kommen
zu lassen: Albert von Commarin, gegen den Daburon nun Haftbefehl erlässt.
Zweiter Teil (Dienstag, 31.08.1976, 21.00 Uhr-22.30 Uhr)
Auch nach dem x-ten Verhör von Albert von Commarin durch den
Untersuchungsrichter Daburon leugnet dieser, den Mord an der Witwe Lerouge
begangen zu haben. Seinem Vater, dem Grafen von Commarin, der zumindest die
Wahrheit über die Kindesvertauschung erzählen könnte, kommen allmählich Zweifel
an der Schuld seines Sohnes. Dennoch streitet er gegenüber den Ermittlern die
Vertauschung ab. Alle sind verblüfft, als ausgerechnet Noёl Gerdy, der
Halbbruder Alberts und eigentlich rechtmäßiger Erbe Commarins, die Verteidigung
Alberts vor Gericht übernehmen will. Bei seinen Ermittlungen verhört Noёl unter
anderem auch Claire d'Arlange. Alles ändert sich schlagartig, als wie aus dem
Nichts der totgeglaubte Gatte der Witwe Lerouge auftaucht...
alle Texte:© GP, Die
Krimihomepage, März 2009
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Kritik |
Beste TV-Unterhaltung, großartige
Schauspieler, vorzüglich gespielt. Ein Film, der Spaß macht!
(GP)
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Zusätzliche Infos &
Hintergrundinfos |
• Weil die erste Émile-Gaboriau-Verfilmung "Der Strick um den Hals" (3
Teile, November 1975) extrem erfolgreich war, setzte man die ursprünglich auf
vier Filme angesetzte Reihe von Verfilmungen historischer Detektivgeschichten
("Die Frau in Weiß", "Der rote Schal", "Der Monddiamant" (alle von Wilkie
Collins), "Der Strick um den Hals") mit diesem Zweiteiler fort. Erneut sollte
dieser Film der letzte der Reihe sein. Doch der Erfolg führte dazu, dass Wilhelm
Semmelroth als Regisseur und Herbert Asmodi als Autor bis 1980 noch drei weitere
klassische Detektivromane als Mehrteiler adaptierten: "Onkel Silas" (von
Sheridan Le Fanu), "Lady Audleys Geheimnis" (von Mary Elizabeth Baddon) und
"Lucilla" (von Wilkie Collins).
• "Die Affäre Lerouge" war, wie oben bereits erwähnt, Émile Gaboriaus erster
Kriminalroman und beruhte auf Tatsachen. Er brachte ihm den Ruf des Begründers
des französischen Kriminalromans ein. Selbst Arthur Conan Doyle, Vater von
Sherlock Holmes und Dr. Watson, meinte, er habe Gaboriau viel zu verdanken.
• Über die Betulichkeit seiner Filme und die Geschwindigkeit, mit der der Mörder
gefasst wird, meinte Regisseur Wilhelm Semmelroth (unter Insidern als "Semmel"
bekannt): "So hektisch wie in modernen Thrillern geht es in diesem in der Mitte
des 19. Jahrhundertsspielenden Krimi natürlich nicht zu. Das Tempo meiner
Inszenierung wird von Kutschen bestimmt - und Kutschen sind nun mal langsam".
Und weiter fand der damals 62jährige Regisseur: "Das Verhältnis der Leute
untereinander ist sowieso wichtiger als der Krimi-Effekt". Er räumt ein: "Wir
haben den Vergleich mit Kojak und Co. wohl ein bisschen herausgefordert, indem
wir unsere Filme als Krimis bezeichneten".
• Wilhelm Semmelroth besetzte all seine "Uralt"-Krimis mit den hervorragendsten
und beliebtesten deutschen Schauspielerinnen und Schauspielern jener Zeit. Dies
ging soweit, dass ihm mit der Zeit die Schauspieler ausgingen. Dazu meinte er:
"Ich habe in meinen Filmen schon fast alle guten Gesichter verbraucht. Jetzt
muss ich wieder von vorn anfangen". Den Beginn machte er mit der Schauspielerin
Ellen Schwiers, die in dem erfolgreichen Dreiteiler "Der rote Schal" die
Hauptrolle gespielt hatte. In seinem nächsten historischen Krimimehrteiler
"Onkel Silas" (Arbeitstitel: "Das verhängnisvolle Erbe") spielte sie an der
Seite von Hannes Messemer eine bedeutende Rolle. Semmelroth bevorzugte es, so
werkgetreu wie möglich zu inszenieren. Dazu sagte er 1971 in einem Interview:
"Manche Bücher lassen sich einfach nur im klassischen Stil verfilmen. Ich sehe
keinen Sinn darin, einen Roman zu vergewaltigen, um mit aller Gewalt modern zu
wirken". Warum es in seinen Filmen einerseits recht behäbig andererseits recht
kompliziert zu gehe, erklärte er so: "Das damalige Lesepublikum hatte viel Zeit
zum Lesen. Die Autoren ließen sich beim Abspulen der Handlung ebenfalls viel
Zeit - sie wurden pro Druckzeile bezahlt. Allerdings mussten sie für jeden
Fortsetzungsschluss (Anmerkung: die meisten Romane erschienen ja als
Fortsetzungsromane in Zeitungen) eine neue Verwicklung erfinden". Genau das
musste auch das deutsche Fernsehpublikum der siebziger Jahre lieben, denn nicht
umsonst lagen die Einschaltquoten der damals so bezeichneten "Schauerkrimis" bei
über 50 Prozent.
• Jutta Kammann war die Lebensgefährtin von Regisseur Wilhelm Semmelroth. Sie
spielte unter anderem auch in seinen Filmen "Der Monddiamant" und "Der rote
Schal" mit.
• Herlinde Latzko imponierte in der TV-Verfilmung "Der Scheingemahl" (1974) nach
Hedwig Courths-Mahler so als "edle Unschuld", dass sie für diesen Film als
Claire d'Arlange verpflichtet wurde. Zu ihrer Rolle wurde sie gefragt, ob ihr
diese nicht gefalle. Dazu meinte sie im Interview: "Doch - schon. Wenn ich auch
mit solchen Schinken wenig anfangen kann. Ich möchte nur nicht auf solche Rolle
festgelegt werden".
• Im Vorspann, der (wie bei allen Semmelroth-Mehrteilern außer "Die Frau in
Weiß") für alle Teile gleich ist, sieht man den Mord an der Witwe Lerouge, die
von Ingeborg Lapsien dargestellt wird. Die Dame lächelt freundlich ihrem Mörder
zu, hockt sich zum Kamin, um einzuheizen und wird dann hinterrücks mit zwei
Messerstichen ermordet. Bevor die Witwe Lerouge stirbt, dreht sie sich noch
einmal um und sieht ihrem Mörder angsterfüllt ins Gesicht. Dann kommt der
Vorspann.
Regisseur Wilhelm Semmelroth
Wilhelm Semmelroth (1914-1992) studierte in Bonn Germanistik,
Kunstgeschichte und Französisch. Er musste sein Studium wegen der Nazis
abbrechen, weil er nicht in die nationalsozialistische Studentenvereinigung
eintreten wollte. So besuchte er eine Schauspielschule und wurde im Krieg von
einem Intendanten verraten. Er arbeitete mit der französischen Resistance
zusammen und wurde von den Engländern geholt, um bei der BBC die deutsche
Abteilung zu leiten. Als nach dem zweiten Weltkrieg die Alliierten Deutsche
suchten, die nicht durch eine nationalsozalistische Vergangenheit vorbelastet
waren, um einen Rundfunk aufzubauen, schien Semmelroth der geeignete Mann dafür
zu sein. Unter seiner Leitung entstanden nunmehr hunderte Hörspiele. Er war es
auch, der Francis Durbridge zunächst als Hörspiel (Paul Temple) nach Deutschland
brachte. Er kannte ihn von seiner Arbeit bei der BBC.
1960 wurde Semmelroth, von seinen Kollegen immer "Semmel" genannt, Chef der
Fernsehspielabteilung des WDR. Nachdem er als Regisseur vor allem klassische
Hörspielstoffe inszeniert hatte, arbeitete er bereits seit 1958 immer wieder als
Regisseur. Als Produktionsverantwortlicher entstanden die Fernsehfilme "Am
grünen Strand der Spree" und "Zu viele Köche" sowie die
Francis-Durbridge-Klassiker "Das Halstuch" (1961), "Tim Frazer" (1962), "Tim Frazer-Der Fall Salinger" (1963) und "Die Schlüssel" (1964). Weitere interessante
und hochspannende sowie exzellent besetzte Fernsehkrimis, die Semmelroth selbst
inszenierte, waren unter anderem "Immer nur Mordgeschichten" (1968 mit Sieghardt
Rupp), "Tod nach Mitternacht" (1970 mit Ellen Schwiers) und "Eine Tote soll
ermordet werden" (1972 mit Siegfried Lowitz).
Leute, die mit ihm gearbeitet haben, beschreiben Semmelroth als leisen,
unaufdringlichen Regisseur, der ein genaues Konzept hatte, genau Dialogregie
führte und extrem behutsam arbeitete. Jeder, der einen Namen hatte, riss sich
darum, mit ihm zu arbeiten. So kam es, dass seine Produktionen und
Inszenierungen stets erstklassig besetzt waren. Viele machten wegen seiner
Persönlichkeit mit. So lässt es sich erklären, dass seine Filme immer wieder mit
den gleichen Schauspielern besetzt wurden: Ellen Schwiers, Wolfgang Unterzaucher,
Wolfgang Büttner, Siegfried Lowitz, Eric Pohlmann usw. Auch Jutta Kammann,
Semmelroths Lebensgefährtin, spielte regelmäßig in seinen Filmen mit.
Als der WDR Anfang der 1970er plante, eine neue große Mehrteilerserie zu
starten, schlug Semmelroth, der sehr belesen war, vor, Wilkie Collins zu
verfilmen. Als Drehbuchautoren holte er sich Herbert Asmodi, der im Deutschen
einen Dialog beherrschte, der der Sprache von Collins sehr ähnlich war. Er
verstand es auch, für jede Figur eine eigene Sprachfärbung zu entwerfen. Als
Komponisten - auch hier zeigt sich Semmelroths Vorliebe, sich gerne mit
gewohnten Menschen zu umgeben - wurde Hans Jönsson verpflichtet, der für ihn
schon die Paul-Temple-Hörspiele vertont hatte, bei zwei Durbridge-Verfilmungen
zum Einsatz kam, seine bisherigen Fernsehspiele und auch alle weiteren
Kostümkrimis musikalisch untermalte.
Zu den so genannten Plüschkrimis zählen folgende Filme:
"Die Frau in Weiß"
(1971 nach Wilkie Collins, 3 Teile)
"Der rote Schal"
(1973 nach Wilkie Collins, 3 Teile)
"Der Monddiamant"
(1974 nach Wilkie Collins, 2 Teile)
"Der Strick um
den Hals" (1975 nach Émile Gaboriau, 3 Teile)
"Die Affäre Lerouge"
(1976 nach Émile Gaboriau, 2 Teile)
"Onkel Silas"
(1977 nach Sheridan LeFanu, 2 Teile)
"Lady Audleys
Geheimnis" (1978 nach Mary Elizabeth Braddon, 2 Teile)
"Lucilla" (1979 nach
Wilkie Collins, 2 Teile). |
Stab |
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Besetzung |
Aufnahmestab |
Tabaret |
René Deltgen |
Daburon |
Günter Strack |
Graf von Commarin |
Peter Pasetti |
Albert von Commarin |
Volkert Kraeft |
Marquise d'Arlange |
Käte Haack |
Claire d'Arlange |
Herlinde Latzko |
Noёl Gerdy |
Joachim Ansorge |
Juliette Chaffour |
Jutta Kammann |
Lebrun |
Willy Semmelrogge |
Lerouge |
Helmut Brasch |
Polizeikommissar |
Hans von Borsody |
Kriminalkommissar Gévrol |
Werner Sindermann |
Major Gerdy |
Hermann Lenschau |
Jacques |
Heinz Wildhagen |
Frau Lerouge |
Ingeborg Lapsien |
Frau Gerdy |
Jenny Thelen |
und |
Renate Dissel |
|
Birgit Füllenbach |
|
Gundy Grand |
|
Tana Schanzara |
|
Milly Scott |
|
Hildegard Wahry |
|
Claus Fuchs |
|
Wolfgang Grönebaum |
|
Wolfgang Kaehler |
|
Detlev Redinger |
|
Walter Spieske |
Arzt von Frau Gerdy |
Wilhelm Semmelroth
/uncredited/ |
|
Drehbuch |
Herbert Asmodi |
nach dem Roman
"L'affaire Lerouge" von |
Émile Gaboriau |
Kamera |
Hans Braun |
|
Bernd Müller |
Studiokameramänner |
Kurt Mikler |
|
Dietbert Schmidt |
|
Klaus Schomens |
|
Karl Worm |
|
Andreas Müller-Lorey |
Technische Leitung |
Edgar Handschel |
Ton |
Richard Kettelhake |
Filmschnitt |
Wolfgang Richter |
|
Monika Stockmann |
Bildschnitt |
Eva Dahms |
MAZ-Schnitt |
Ingrid Burz |
Bild |
Franz-Josef Bruns |
Regieassistenz |
Heidi Adams |
Aufnahmeleitung |
Ted Henner |
|
Ulrich von der Nahmer |
Maske |
Gerda Behrendt |
|
Hans-Joachim Schmalor |
|
Adalbert Serger |
Kostüme |
Brigitte Scholz |
Szenenbild |
Lothar Kirchem |
Musik |
Hans Jönsson |
es spielt das |
Rundfunkorchester des WDR |
Produktionsleitung |
Karlheinz Hornung |
Produktion |
Gunther Witte |
Regie |
Wilhelm Semmelroth |
Eine Produktion des |
WDR |
© |
Westdeutscher Rundfunk
Köln 1976 |
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