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Dieser
Text wurde von mir für die DVD-Veröffentlichung von "Die Puppe"
geschrieben und ist auch neben anderen Informationen über den Film, die
ebenfalls von mir stammen im Booklet als Bonus enthalten. Er darf ohne
meine Zustimmung nicht kopiert, oder wo anders wieder gegeben werden.
©
Dr. Georg P.
„Wenn ich nur halb so gut sein könnte wie Edgar Wallace“
Francis Durbridges bescheidenes Ziel am Beginn seiner Karriere
Francis Henry Durbridge wurde am 24.11.1912 in Hull in Yorkshire
geboren. Er studierte Altenglisch, arbeitete kurze Zeit als Börsenmakler
und wollte zwischendurch sogar Schauspieler werden. Es sollte aber
anders kommen und so avancierte er zu einem der erfolgreichsten – wenn
nicht zu dem (international) erfolgreichsten – Hörspiel- und
Fernsehautor des 20. Jahrhunderts, der mit seinen Cliffhangereffekten
für leergefegte Straßen sorgte. Da er, der große Bewunderer von Edgar
Wallace, bereits im Jugendalter sein erstes Kriminalstück, mit dem er
einen Kurzgeschichtenwettbewerb gewann, verfasst hatte, war alsbald
klar: Durbridge bleibt beim Schreiben! So landete er bei der BBC, für
die er Musikkomödien, Sketche und Texte für Wochenendrückschauen
schrieb. Als der Radiomann Martyn C. Webster nicht die x-te Vertonung
eines Sherlock-Holmes-Stoffes als Hörspiel produzieren wollte und auf
der Suche nach neuen Krimistoffen war, schlug Durbridges Stunde. Er
kreierte innerhalb von 24 Stunden einen originellen Radiodetektiv,
dessen klingender Name alsbald für Aufsehen sorgte: Paul Temple. Im Jahr
1938 ging er in einem zehnteiligen, Woche für Woche ausgestrahlten
Hörspiel, erstmals auf Sendung. Die Reaktionen auf den smarten
Kriminalschriftsteller mit detektivischem
Gespür waren ab der ersten Folge so gigantisch, dass man sofort neue
Fälle forderte. So kam es auch: eine Temple-Manie brach aus, Jahr für
Jahr (manchmal auch in kürzeren Abständen) erlebten Temple, seine Frau
Steve und Sir Graham Forbess von Scotland Yard hochspannende
kriminalistische Abenteuer, die in Häppchen ausgestrahlt jedes Mal im
spannendsten Moment endeten. Bis heute ist Temple aktiv. Durbridges
Radioskripten wurden nämlich bald auch in den Niederlanden (dort als
Paul Vlaanderen), später auch in Deutschland und vielen anderen Ländern
mit einheimischen Sprechern adaptiert (René Deltgen avancierte so zum
Kultsprecher!) und auch das Kino ließ nicht lange auf sich warten. Es
folgten vier Kinofilme, zahlreiche Romane (teils Verschriftlichungen der
Hörspiele, teils neue Geschichten), Comics, eine 52teilige TV-Serie und
neuerdings auch Hörbücher. 2013 ist Temple 75 Jahre im Dienst und noch
ist kein Ende an neuen Adaptionen abzusehen. Die BBC produziert nämlich
seit 2006 Neuaufnahmen der ersten Temple-Abenteuer.
Als das Fernsehen kam, war bei der BBC recht schnell klar, dass nur
einer in Frage kam, wenn es um Spannung gehen sollte. So durfte Francis
Durbridge 1952 mit The Broken Horseshoe sein erstes von insgesamt
19 mehrteiligen Fernsehspielen schreiben, das sofort zum Straßenfeger
wurde. Im deutschen Sprachraum war Francis Durbridge durch seine
Hörspiele, die ab 1949 im Radio liefen, extrem populär. Das Krimifieber
der Nachkriegszeit in der BRD geht zum Großteil auf das Konto des
Meisters der feindosierten Spannung, der mit seinen
Paul-Temple-Geschichten so begeistern konnte, dass ein Teil des Erfolgs
der späteren deutschen Edgar-Wallace-Serie sicherlich auch darin ihr
Fundament hat. Im Jahr 1959 kam mit Der Andere, einem Sechsteiler
mit Albert Lieven, der erste von insgesamt elf Mehr- und sieben
Einteilern aus deutschen Landen, auf die Bildschirme. Der Erfolg war so
groß, dass in den Folgejahren in der Regel alle 12 Monate eine deutsche
Adaption des englischsprachigen Originaldrehbuchs von Durbridge auf die
Bildschirme kam. Der Autor reiste auch meist zum Start der Dreharbeiten
persönlich an und schrieb auch schon mal eigene Fassungen für das
deutschsprachige Publikum, die in ihrem Ende von seinem Drehbuch für die
BBC abwichen (so etwa bei Ein Mann namens Harry Brent (1967) oder
Das Messer (1971)). Enormen Bekanntheitsgrad erlangte Durbridge
mit dem 1961 gedrehten Das Halstuch, bei dem der Kabarettist
Wolfgang Neuss vor Ausstrahlung der letzten Folge den Namen des Täters
in einer Zeitung inserierte und damit bis zu seinem Tod den Ruf des
Verräters nicht mehr los wurde. Die bis heute höchst gemessene
Einschaltquote fuhr jedoch der sechste Teil des im Jahr
1962 gedrehten Films Tim Frazer mit 93% ein. Die letzte
TV-Verfilmung eines Durbridgestoffes (diesmal eines Theaterstücks)
entstand in der BRD 1988 mit Armin Mueller-Stahl in Tagebuch für
einen Mörder, 1997 flimmerte in Großbritannien die insgesamt dritte
britische Version von Melissa über die Bildschirme, die bis dato letzte
filmische Adaption eines Durbridge-Stoffes.
Von den 19 TV-Mehrteilern entstanden bei 17 auch andere Versionen, denn
nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien, Frankreich, Polen,
Finnland und Schweden entstanden Versionen mit einheimischen Stars.
Spitzenreiter ist The Scarf (Das Halstuch). Dieser Stoff flimmerte in
verschiedenen nationalen Adaptionen in insgesamt 12 Ländern über die
Bildschirme.
Francis Durbridge, der seit 1940 verheiratet war und zwei Söhne hatte,
starb am 11.04.1998 nach langer Krankheit in London. Er hinterlässt ein
umfassendes kriminalistisches Werk mit Skripten zu 33 Hörspielen und 19
mehrteiligen Kriminalfernsehspielen. Zudem schrieb er 10 Theaterstücke,
an die 40 Romane (davon 14 Paul-Temple-Abenteuer), lieferte die Idee
oder die Vorlage zu 11 Kinofilmen, mehreren Comic-Serien und zu einer
52teiligen TV-Serie (Paul Temple (1969-1971)). Schließlich
schrieb er auch eine Paul-Temple-Kurzgeschichte. Unglaublich, aber auf
Basis all dieser Werke (in 90% der Fälle auf Grundlage seiner
Hörspielskripten und Drehbücher, die in verschiedene Sprachen übersetzt
wurden) entstanden hunderte (!!) Adaptionen in verschiedenen Ländern der
ganzen Welt.
Text:
COPYRIGHT Dr. Georg P. 2013 |