Allgemeines
Zeichenlehrer Walter Hartright hat eines Nachts ein unheimliches Erlebnis: er
begegnet einer mysteriösen Frau in Weiß, die aus einem Irrenhaus ausgebrochen
ist. Er hilft der scheinbar verwirrten Frau und denkt darüber nicht mehr nach.
Wenig später tritt er in Cumberland im Hause Fairlie eine Stelle als
Zeichenlehrer an. Er ist geschockt, als er in einer seiner Schülerinnen, Laura,
die Frau in Weiß wieder zu erkennen glaubt. In Wirklichkeit handelt es sich aber
um zwei verschiedene Personen, die in seinem Leben noch eine entscheidende Rolle
spielen sollen: Walter verliebt sich in Laura. Obwohl seine Liebe erwidert wird,
heiratet diese Sir Percival Glyde, dem sie versprochen war. Dieser ist aber nur
an Lauras Geld interessiert und schreckt auch vor Mord nicht zurück, um an
dieses zu gelangen...
Erster Teil (75 Minuten) -
Titel ORF: Eine unglückliche Liebe
Walter Hartright (Christoph Bantzer) soll auf einem alten Landschloss die
Nichten von Sir Frederic Fairlie (Helmut Käutner) im Zeichnen unterrichten. Er
verliebt sich bald in Laura (Heidelinde Weis), die jüngere der beiden
Schülerinnen. Marian (Eva Christian), ihre Schwester, eröffnet ihm, dass Laura
bereits mit Sir Percival Glyde (Pinkas Braun) verlobt ist. Sir Percival besteht
auf der Hochzeit. Doch er hat eine Feindin: die Frau in Weiß, die Laura zum
verwechseln ähnlich sieht und einer Irrenanstalt entflohen ist. Sie ist die
einzige, die sein Geheimnis kennt ...
Zweiter Teil (90 Minuten) -
Titel ORF: Der Teufelsplan
In einem anonymen Brief an Laura verrät die Frau in Weiß, dass es Sir
Percival und seine Freunde Contessa und Conte Fosco (Edith Lechtape und Eric
Pohlmann) nur auf ihr Geld abgesehen haben. Laura heiratet trotzdem. Fosco und
Percival setzen alles daran, die "Frau in Weiß" aus dem Wege zu schaffen, um die
einzige, die Percivals Geheimnis kennt, zu beseitigen. Dazu ist nur ein
grimmiger Blick Sir Percivals nötig, der die bereits schwer kranke Frau in Weiß
damit so erschreckt, dass sie an Herzversagen stirbt. Nun setzen Fosco und
Percival ihren teuflischen Plan um: sie bringen Laura als Frau in Weiß ins
Irrenhaus zurück und lassen sie für tot erklären...
Dritter Teil (93 Minuten) -
Titel ORF: Geheimnisse
Als Walter Hartright zurückkehrt, findet er nur noch Lauras Grab. Bald
findet er aber heraus, dass darin die "Frau in Weiß" liegt. Marian führt Walter
zu Laura, der es in der Zwischenzeit gelungen ist, aus dem Irrenhaus zu
entfliehen. Er setzt alles daran, Lauras Identität wieder herzustellen, doch das
ist nicht so einfach. Nur Conte Fosco oder Sir Percival Glyde können dies tun,
doch um sie dazu zu bewegen, muss Hartright hinter die Geheimnisse der beiden
kommen...
Alle Texte:
©
GP, Die Krimihomepage |
• The Woman In White (Die Frau in Weiß), 1860 erschienen, gilt als der erste
Kriminalroman der Literaturgeschichte überhaupt. Wilkie Collins schrieb die aus
dem Gesichtspunkt mehrerer handelnder Personen erzählte Geschichte als
Fortsetzungsroman für die Zeitschrift „All The Year Round“ deren Herausgeber
sein Freund Charles Dickens war.
• Drehbuchautor Herbert Asmodi meinte zur schwierigen Arbeit, den Roman für das
Fernsehen zu adaptieren: „Der Witz oder die Besonderheit des Romans bestehen
darin, dass er sich gewissermaßen kaleidoskopartig aus den Berichten von Haupt-
und Nebenfiguren aufbaut. Das war für den Bildschirm nicht zu machen, jedenfalls
nicht in einem solchen Film und bei einer so komplizierten Handlung. Ferner war
es erforderlich, die Sache für das heutige Publikum da und dort zu „enviktorianisieren“.“
• Zu ihrer Doppelrolle als Laura und Frau in Weiß sagte Heidelinde Weis: „Das
war genau das richtige für eine Vollblutschauspielerin. Einmal bin ich Laura,
eine normale junge Frau, zum anderen aber auch eine geheimnisvolle Dame, die in
einem Asyl eingesperrt ist“. Und weiter: „Mal bin ich die kühle Adlige Laura,
mal eine Verrückte. Und Verrückte zu spielen, das ist immer interessant!“
• Während der Dreharbeiten an der englischen Küste bei Bournemouth wohnte das
rund 60-Personen-Filmteam in einem unheimlichen Bauernhof. Heidelinde Weis
erinnerte sich damals: „Die düsteren Mauern, die raschelnden Kleider, der Nebel
über den Wiesen, die schauerlich dunklen, stillen Nächte, das alles machte uns
richtig Angst! So spielten wir unsere Rollen sehr glaubwürdig“.
• Regisseur Wilhelm Semmelroth, von seinen Kollegen „Semmel“ genannt, übernahm
in diesem wie in fast allen weiteren seiner Filme eine kleine Nebenrolle, hier
als Irrenarzt Dr. Masters (zu sehen kurz vor dem Vorspann zu Teil 1 und in Teil
2, als Lady Laura ins Sanatorium eingeliefert wird). Zum Vorwurf, ob er nicht nur Opas Fernsehen mache,
äußerte er sich wie folgt: „Diesen Vorwurf kenne ich. Manche Bücher lassen sich
einfach nur im klassischen Stil verfilmen. Ich sehe keinen Sinn darin, einen
Roman zu vergewaltigen, um mit aller Gewalt modern zu wirken. Im Übrigen muss
ein Kostümstück nicht verstaubt und antiquiert in Szene gesetzt werden“.
• Nach eigenen Angaben war Heidelinde Weis nicht die Erstbesetzung der
Hauptrolle.
• „Die Frau in Weiß“ war der Auftakt zu einer zunächst auf drei, dann auf fünf
Filme angelegten Krimiklassikerreihe des WDR, die schlussendlich insgesamt acht
Filme, die alle von Herbert Asmodi geschrieben und von Wilhelm Semmelroth
inszeniert wurden, umfasste. Nach einem Roman von Wilkie Collins entstanden 1973
„Der rote Schal“, 1974 „Der Monddiamant“ und 1980 „Lucilla“. „Lucilla“ sollte
als 2. Film angegangen werden, wurde dann aber bis 1979 immer wieder verschoben.
• Wilhelm Semmelroth war selbst jahrzehntelang Hauptverantwortlicher für zig
Hör- und Fernsehspiele des WDR, darunter betreute er auch die Straßenfeger „Zu
viele Köche“, „Das Halstuch“, „Tim Frazer“, „Tim Frazer-Der Fall Salinger“ und
„Die Schlüssel“.
• Wilhelm Semmelroths Lebensgefährtin schlug Eva Christian für die Rolle der
Marian vor.
• Die Dreharbeiten dauerten ca. 3 Monate. Gedreht wurde in Cornwall.
• Die Filmszenen wurden auf 35mm-Film gebannt.
• Für das Genre, das Semmelroth mit "Die Frau in Weiß" gründete, wurde von der
Presse die Bezeichnung "Plüschkrimis" erfunden.
Regisseur Wilhelm Semmelroth
Wilhelm Semmelroth (1914-1992) studierte in Bonn Germanistik,
Kunstgeschichte und Französisch. Er musste sein Studium wegen der Nazis
abbrechen, weil er nicht in die nationalsozialistische Studentenvereinigung
eintreten wollte. So besuchte er eine Schauspielschule und wurde im Krieg von
einem Intendanten verraten. Er arbeitete mit der französischen Resistance
zusammen und wurde von den Engländern geholt, um bei der BBC die deutsche
Abteilung zu leiten. Als nach dem zweiten Weltkrieg die Alliierten Deutsche
suchten, die nicht durch eine nationalsozalistische Vergangenheit vorbelastet
waren, um einen Rundfunk aufzubauen, schien Semmelroth der geeignete Mann dafür
zu sein. Unter seiner Leitung entstanden nunmehr hunderte Hörspiele. Er war es
auch, der Francis Durbridge zunächst als Hörspiel (Paul Temple) nach Deutschland
brachte. Er kannte ihn von seiner Arbeit bei der BBC.
1960 wurde Semmelroth, von seinen Kollegen immer "Semmel" genannt, Chef der
Fernsehspielabteilung des WDR. Nachdem er als Regisseur vor allem klassische
Hörspielstoffe inszeniert hatte, arbeitete er bereits seit 1958 immer wieder als
Regisseur. Als Produktionsverantwortlicher entstanden die Fernsehfilme "Am
grünen Strand der Spree" und "Zu viele Köche" sowie die
Francis-Durbridge-Klassiker "Das Halstuch" (1961), "Tim Frazer" (1962), "Tim Frazer-Der Fall Salinger" (1963) und "Die Schlüssel" (1964). Weitere interessante
und hochspannende sowie exzellent besetzte Fernsehkrimis, die Semmelroth selbst
inszenierte, waren unter anderem "Immer nur Mordgeschichten" (1968 mit Sieghardt
Rupp), "Tod nach Mitternacht" (1970 mit Ellen Schwiers) und "Eine Tote soll
ermordet werden" (1972 mit Siegfried Lowitz).
Leute, die mit ihm gearbeitet haben, beschreiben Semmelroth als leisen,
unaufdringlichen Regisseur, der ein genaues Konzept hatte, genau Dialogregie
führte und extrem behutsam arbeitete. Jeder, der einen Namen hatte, riss sich
darum, mit ihm zu arbeiten. So kam es, dass seine Produktionen und
Inszenierungen stets erstklassig besetzt waren. Viele machten wegen seiner
Persönlichkeit mit. So lässt es sich erklären, dass seine Filme immer wieder mit
den gleichen Schauspielern besetzt wurden: Ellen Schwiers, Wolfgang Unterzaucher,
Wolfgang Büttner, Siegfried Lowitz, Eric Pohlmann usw. Auch Jutta Kammann,
Semmelroths Lebensgefährtin, spielte regelmäßig in seinen Filmen mit.
Als der WDR Anfang der 1970er plante, eine neue große Mehrteilerserie zu
starten, schlug Semmelroth, der sehr belesen war, vor, Wilkie Collins zu
verfilmen. Als Drehbuchautoren holte er sich Herbert Asmodi, der im Deutschen
einen Dialog beherrschte, der der Sprache von Collins sehr ähnlich war. Er
verstand es auch, für jede Figur eine eigene Sprachfärbung zu entwerfen. Als
Komponisten - auch hier zeigt sich Semmelroths Vorliebe, sich gerne mit
gewohnten Menschen zu umgeben - wurde Hans Jönsson verpflichtet, der für ihn
schon die Paul-Temple-Hörspiele vertont hatte, bei zwei Durbridge-Verfilmungen
zum Einsatz kam, seine bisherigen Fernsehspiele und auch alle weiteren
Kostümkrimis musikalisch untermalte.
Zu den so genannten Plüschkrimis zählen folgende Filme:
"Die Frau in Weiß"
(1971 nach Wilkie Collins, 3 Teile)
"Der rote Schal"
(1973 nach Wilkie Collins, 3 Teile)
"Der Monddiamant"
(1974 nach Wilkie Collins, 2 Teile)
"Der Strick um
den Hals" (1975 nach Émile Gaboriau, 3 Teile)
"Die Affäre Lerouge"
(1976 nach Émile Gaboriau, 2 Teile)
"Onkel Silas"
(1977 nach Sheridan LeFanu, 2 Teile)
"Lady Audleys
Geheimnis" (1978 nach Mary Elizabeth Braddon, 2 Teile)
"Lucilla" (1979 nach
Wilkie Collins, 2 Teile). |